Im Jahr 2021 starben in Österreich 1.099 Menschen durch Suizid, davon 190 in Oberösterreich. Die Themen Suizid und Suizidversuch werden nach wie vor tabuisiert. Mag. Dr. Martin Pachinger, Psychologe in der Psychiatrischen Tagesklinik am Klinikum Freistadt klärt anlässlich des bevorstehenden Welttags der Suizidprävention (10.9.) auf: „Trotz breit angelegter Öffentlichkeitsarbeit halten sich einige Mythen hartnäckig wie ‚Jemand, der von Suizid spricht, macht es nicht!‘. Was allen Menschen mit suizidalen Absichten gemeinsam ist, ist dass sich diese in einer großen Krise befinden, welche oft als unüberwindbar erscheint. Erschwerend kommt hinzu, dass das soziale Umfeld aufgrund eigener Ängste im Umgang mit dieser Situation, oft aufgrund von Fehlinformationen, verunsichert ist und sich nicht handeln traut. Von daher gilt es mit den falschen Mythen rund um das Thema Suizid aufzuräumen und hinsichtlich möglicher Warnhinweise zu sensibilisieren.“
Mythos: Menschen, die über Suizid sprechen, machen es nicht.
Falsch! Menschen, die über Suizid sprechen, sind in großer seelischer Not. Dieses Verhalten kann oftmals Suizide bzw. Suizidversuche nach sich ziehen. Auch wenn Suizide nicht vollzogen werden, sind geäußerte Suizidabsichten Ausdruck einer großen psychischen Belastung, in denen Menschen Unterstützung brauchen. Nehmen Sie diese Äußerungen immer ernst, fragen Sie nach, wie das gemeint ist.
Mythos: Einen Betroffenen darauf anzusprechen, kann einen Suizid auslösen.
Falsch! Ein aktives Ansprechen der Suizidgedanken ist hilfreich. Die Betroffenen erleben dies als große Entlastung, da sie zumeist selbst nicht mehr in der Lage sind dies zu artikulieren.
Wenn Sie bei ihrem Gegenüber ein Gefühl des Lebensüberdrusses wahrnehmen bzw. sie den Verdacht haben, diese Person könnte Suizidgedanken haben: Sprechen Sie die Person direkt darauf an!
Mythos: Suizide finden ohne Vorwarnung statt.
Falsch! Die meisten Menschen, die sich selbst töten, geben vorher Signale über ihre Absichten in Form von ausgesprochenen Gedanken oder Handlungen. Diese sollen nicht heruntergespielt werden. Rund acht von zehn Menschen, die Suizid begehen, geben vorher Signale, die aber meist erst im Nachhinein als solche erkannt werden.
Mythos: Suizide kann man nicht verhindern.
Falsch! Die meisten Menschen sind unentschlossen und schwanken zwischen dem Wunsch
zu leben und dem Wunsch zu sterben. Für sie haben sich in der aktuellen Situation die eigenen Möglichkeiten so verengt, dass sie nur noch die eine Lösung sehen. Diese Menschen sehen wie in einem Tunnel ausschließlich ihre Probleme. In Wirklichkeit gibt es IMMER noch andere Möglichkeiten, die für diese Personen in diesem Augenblick nicht sichtbar sind. Die meisten Menschen hoffen auf Hilfe und Rettung. Sie wollen ein verändertes Leben mit weniger seelischem Schmerz.
Mag. Dr. Martin Pachinger appelliert auf Warnzeichen zu achten, die es häufig gibt und einen Suizid ankündigen können. Diese Warnzeichen sollen ernst genommen werden:
Rückzug: Wenn Betroffene beginnen, soziale Kontakte abzubrechen oder zu vermeiden. Wenn sie sich über ihre Ängste und Sorgen nicht mehr austauschen.
Vorsorge treffen: Versorgung der Haustiere für den Fall, dass man nicht mehr da ist, Verschenken wertvoller, bedeutsamer Gegenstände, plötzliche Regelung finanzieller Angelegenheiten.
Bemerkungen: „Besser, ich falle nicht mehr zur Last.“, „Was könntet ihr ohne mich alles unternehmen.“ „Im Himmel findet man Ruhe.“ ...
Vorbereitungen: Konkrete Handlungen wie das Sammeln von Medikamenten, das Aufsuchen geeigneter Orte, wenn Haustiere abgegeben werden oder ein Abschiedsbrief geschrieben wird.
Plötzliche Ruhe: Ist die Entscheidung zum Suizid getroffen, führt das zu innerlicher Ruhe. Betroffene wirken entspannter, ausgeglichener, obwohl keine Veränderung der Situation erkennbar ist.
Wenn Sie in Ihrem Umfeld solche Warnzeichen wahrnehmen: Sprechen Sie die betroffene Person darauf an. Schildern Sie Ihre Wahrnehmung.
Was tun in einer Krisensituation?
Wenn Sie sich selbst in einer Krisensituation befinden: Suchen Sie professionelle Hilfe auf. Befindet sich jemand in Ihrem Umfeld in einer Krisensituation: Bieten sie ein Gespräch bzw. Unterstützung an, gemeinsam professionelle Hilfe zu kontaktieren.
In Oberösterreich stehen folgende Institutionen zur Verfügung:
- Krisenhilfe OÖ: 0732/2177
- TelefonSeelsorge OÖ: 142
- Chat- und Onlineberatung der Telefonseelsorge:
onlineberatung-telefonseelsorge.at - Rat auf Draht für Kinder und Jugendliche: 147